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Uscha Wolter


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Pressestimmen

Späte Heimkehr der Blumen


Versöhnt erst nach dem Tod

von Rene Schleucher

Ihre Kindheit in Düsseldorf und Briefe ihres Vaters aus der Gefangenschaft
hat Uscha Wolter in einem Buch verarbeitet.



Es ist ein wahrlich blumiger Titel, den Verlag und Autorin füe das Buch ausgewählt haben:
Späte Heimkehr der Blumen“ – das klingt eher nach religiöser Aufbauliteratur.
Ein Eindruck, den das Titelbild noch verstärkt.
Da rankt eine Pflanze mit gelben Blüten einen Stacheldraht entlang.
Doch der Eindruck täuscht.
Das Werk ist ein Stück Heimatliteratur im besten Sinne.

Autorin ist Uscha Wolter, eine geborene Düsseldorferin,
die heute in der Nähe von Heidelberg lebt.
Doch den Bezug zu ihrer Heimat hat sie nie verloren:
„Düsseldorf ist meine Stadt. Dort fühle ich mich immer sofort zu Hause“, sagt sie.
Dennoch hatte sie eigentlich keine Heimatliteratur im Sinn, als sie im Jahr 2004 beschloß;
ein Buch über ihre Kindheit zu schreiben.
„Die Idee kam damals wie ein Blitz über mich, Ich musste die Geschichte von meinem Vater aufschreiben“.
Es ist die Geschichte von einem Vater-Tochter-Konflikt, der beginnt, als der Vater 1953 aus der Kriegsgefangenschaft in Russland zu seiner Familie nach Düsseldorf zurückkehrt.
Ähnlich wie in Sönke Wortmanns Film „das Wunder von Bern“ entwickelt sich das Verhältnis vom Vater zu seinem neunjährigen Kind problematisch. Er ist meist streng, kühl und verbirgt seine Gefühle.

Die Tochter, im Roman heißt sie Lilli, kommt damit nicht klar.
Sie sucht ihren Platz in der Nachkriegsgesellschaft, genießt die Freuden des Alltags und die neue Freiheit.
Doch Jeans, Parkas und Baby Dolls passen nicht in die Welt des Vaters, der mit Verboten und Strafen reagiert.
Vor allem, wenn sich Lilli mit ihrem Freund Daniel trifft.
Er hilft ihr, ihre Sehnsucht nach Freiheit gegenüber dem Vater zu behaupten.

Auch wenn der Roman in einigen Teilen fiktiv ist, der Grundkonflikt ist autobiografisch.
Es ist die unerfüllte Sehnsucht einer Tochter nach der Liebe ihres Vaters. Sie nie gespürt zu haben wäre beinahe ein lebenslanges Trauma gewesen. Doch dann passiert etwas Unerwartetes.
Nach dem Tod ihrer Mutter findet Uscha Wolter 150 Feldpostbriefe ihres Vaters aus der Kriegsgefangenschaft.
„Ich durfte nach fast 50 Jahren erfahren, wie groß Vaters Sehnsucht auch nach mir war, und wie sehr er mich geliebt hat.
Auch wenn es nur geschriebene Worte sind, die wir später in der Wirklichkeit nicht miteinander leben konnten, bewirken sie in mir einen liebevolle Heilung“, schreibt Wolter in ihrem Nachwort.

Ihre persönlichen Kindheitserinnerungen sind zu diesem Zeitpunkt schon fertig – und Wolter lässt sie unverändert.
Statt dessen macht sie etwas Bemerkenswertes: Sie montiert Original Passagen aus den Briefen in das Buch.
Dadurch entsteht ein starker Kontrast: zwische den Erinnerung der sich ungeliebt fühlenden Tochter,
und den Berichten des Vaters aus russischen Arbeitslagern.
Auf den ersten Blick scheint beides nichts miteinander zu tun zu haben. Doch tatsächlich beleuchtet dieser Kontrast die Kluft zwischen den Generationen auf eine Art und Weise, wie man sie sonst selten gelesen hat.
Es werden Ursache und Wirkung gezeigt – aus zwei unterschiedlichen Perspektiven.

Ein bemerkenswertes Buch, nicht nur mit dokumentarischem Wert.

„Das MDW ( Ministerium für innere Angelegenheiten der UdSSR , Anm. der Redaktion) will irgend etwas aus uns herauspressen, um uns verurteilen zu können. Mit der zeit bekommen wir Routine: Wir wissen nichts,
Hinter einem Tisch sitzt der Kommissar. Neben ihm die Dolmetscherin.
An der Wand hängt ein großes Stalinbild.
„Wo bist du geboren?“ – „In Düsseldorf.“ – Aha, oben in Finnland.“ – „ Düsseldorf liegt in Westdeutschland an Rhein.“ – „Rede nicht, ich weiß das als Offizier besser, Düsseldorf liegt in Finnland,“
(Sommer 1945)

Ich habe eine Bitte an Dich, kannst du mir mal ein paar Postkarten von Düsseldorf schicken?
Ich möchte gerne einmal wieder etwas aus der Heimat sehen. (…)
Es ist gut, daß ich manchmal ein Buch habe, in dem ich etwas übere unsere Heimat lesen kann.
So habe ich gestern von Heinrich Heine gelesen: „Die Stadt Düsseldorf ist sehr schön, und wenn man in der Ferne an sie denkt, wird einem wunderlich zu Mute.“Ich bin dort geboren und es ist mir, als müsse ich gleich nach Hause gehen.“
Ist das nicht wunderschön gesagt? Besonders ich kann heute die Worte so recht begreifen.
(Sommer 1948)

Meine Liebste, mein liebes Kind. Wenn du meinen Brief erhältst, ist schon Herbst in der Heimat.
Ich kenne diese diesigen und nebligen nur zu gut und kann sie fast riechen.
Ich hab ein Bild gemalt vom Niederrhein, mit alten Weiden, Pappeln und dem großen Strom.
(Herbst 1948)

Düsseldorfer Nachrichten, WZ vom 14.02.06



Als Vater aus Russland heim kam
Im Roman "Späte Heimkehr der Blumen" beschreibt die Ex-Solingerin Uscha Wolter eine Kindheit im Nachkriegsdeutschland.


Im Sommer 1953 ist die kleine Lilli neun Jahre alt und lebt in Düsseldorf. Die Mutter arbeitet bis abends, tagsüber wird das Mädchen von den Großeltern betreut. Lillis Vater ist Kriegsgefangener, im Mai 1945 wurde er den Russen übergeben. Im November 1946 reißt die Briefverbindung ab: "Niemand wusste mehr, wo er war, wie es ihm ging, ob er lebte. Unheimliche Stille." Einen Vater zu haben, so wie die anderen Kinder, ist der innigste Wunsch der Neunjährigen. Tatsächlich kehrt der Vater eines Tages heim, aber Krieg und Gefangenschaft haben ihn gebrochen.

Das Verhältnis zur Tochter gestaltet sich schwierig, wird belastet vom strengen Katholizismus, in den sich der Kriegsheimkehrer geflüchtet hat und der seiner Tochter kaum Luft zum Atmen lässt. Erst die Freundschaft zum neuen Klassenkameraden Daniel hilft Lilli, sich ihrem Vater wieder zu nähern und zu begreifen, was mit ihm geschehen ist.

In "Späte Heimkehr der Blumen" verarbeitet Uscha Wolter (61) autobiografische Erfahrungen: "Die Schilderungen über die Gefangenschaft meines Vaters sind dokumentarisch. Die Beziehung zu ihm war sehr schwierig, und ich habe versucht, sie so wiederzugeben, wie ich sie erlebt habe." In das sehr sensibel verfasste und sprachlich gelungene Buch hinein gearbeitet sind Briefe des Vaters, Schilderungen der Gefangenschaft in seinen Worten und Gedanken, die um das Thema Bewusstseinserweiterung kreisen und "Späte Heimkehr der Blumen" auf eine philosophische Ebene erhöhen. Wer die Bücher von Eric-Emmanuel Schmitt schätzt, wird auch an "Späte Heimkehr der Blumen" viel Freude haben. Die nun in Heidelberg lebende Autorin, die ihren ersten Roman vorlegt, lebt ihre Kreativität auf vielfältige Weise aus: "Ich male, fotografiere, tanze und schreibe aus Leidenschaft."

Die Verbindung zu ihrer alten Heimat - nach ihrer Heirat 1975 lebten die Wolters in Solingen, ist nie erloschen. "Solingen ist eine Stadt mit Atmosphäre. Die gemütlichen Ortsteile, die Fachwerkhäuser und den Wald, verwunschen und markant zugleich."

Uscha Wolter: Späte Heimkehr der Blumen. Schardt Verlag, 123 Seiten, zehn Euro.
Von Susanne Schramm
29.10.05
© Solinger Tageblatt








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